EU-Kommission plant Konzessionsrichtlinie

Urteil zur Vorrangstellung der Hilfsorganisationen
28. Mai 2012

Im Dezember des letzten Jahres hat die EU-Kommission einen Entwurf für eine Konzessionsrichtlinie erlassen. Welche Auswirkungen eine solche Richtlinie auf den Rettungsdienst haben kann, soll hier dargestellt werden.


In den letzten Jahren veränderte sich der Rettungsdienst in den Ländern der Bunderepublik Deutschland deutlich.  Früher war man in Rettungsdienstkreisen weitestgehend  einig, dass der Rettungsdienst keine Leistung darstellt, welche über öffentliche Ausschreibungen zu vergeben ist. Schließlich wurde durch die Gerichte geklärt, dass die Vergabe von Aufträgen zur Durchführung des Rettungsdienstes Vergaben im Sinne der Vergaberichtlinie der EU darstellen. Dabei wurde aber immer zwischen dem sogenannten Submissionsmodell und dem Konzessionsmodell unterschieden.

Im Submissionsmodell beauftragt der Auftraggeber, meist eine Kommune, einen Leistungserbringer mit der Durchführung des Rettungsdienstes. Der Leistungserbringer stellt seine Leistung dem Auftraggeber in Rechnung und dieser holt sich die Aufwendungen meist über Gebührensatzungen von den Sozialversicherungsträgern oder den Patienten wieder. Diese entgeltlichen Aufträge des Aufgabenträgers an den Leistungserbringer werden ab bestimmten Schwellenwerten durch das EG-Vergaberegime geregelt.

Warum aber die Angst vor der Vergabe?


Vergabeverfahren haben das Ziel, den Wettbewerb zu stärken und sicherzustellen, dass die Auswahl des Auftragnehmers entsprechend den obersten Maximen der Europäischen Gemeinschaft erfolgt: Um die Freizügigkeit  von Dienstleistungen sicherzustellen, müssen Aufträge transparent und diskriminierungsfrei vergeben werden.


Öffentliche Ausschreibungen bergen Fallen. 

Insbesondere die formalen Hürden einer Ausschreibung schrecken viele öffentliche Auftraggeber ab. Keine Beauftragung von Rettungsdienstleistungen, die nicht unter dem Damoklesschwert der Vergabe stand. Fast immer muss mit Klagen eines Bewerbers gerechnet werden, der bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt wurde. Deshalb versuchen viele Auftraggeber ein formelles Vergabeverfahren zu vermeiden.


Konzessionen als geeignete Alternative?


Vermeintlich im Land der Glückseligen waren da die Konzessionsländer.. Fast schon mit Neid sahen die „Submissionsländer“ im Norden auf die „Konzessionsländer“ im Süden.
Für Konzessionen gilt die Vergaberichtlinie nicht und oft wähnte man sich im rechtsfreien Raum. Jedoch gilt auch für Konzessionen oder für Vergaben, die die Schwellenwerte nicht überschreiten das deutsche Wettbewerbsrecht und damit der allgemeine Grundsatz der Transparenz und der Diskriminierungsfreiheit. Trotzdem führte die unterschiedliche Behandlung von Aufträgen und Konzessionen zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten, nicht nur im Rettungsdienst. Am 20. Dezember 2011 hat die EU-Kommission einen Entwurf über eine Richtlinie zur Regelung von Konzessionen vorgelegt. Ziel der Richtlinie soll es sein, die rechtlichen Unsicherheiten, die innerhalb der Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Vergabe von Konzessionen bestehen, zu klären und den Marktzugang zu erleichtern.
Eine Konzession im Sinne der Richtlinie ist ein Auftrag einer öffentlichen Stelle, bei welchem der Auftragnehmer das Recht zur Nutzung einer Bau- oder Dienstleistung erwirbt und ein wesentliches Betriebsrisiko übernimmt. Diese Definition wurde in der Vergangenheit vom EuGH in verschiedenen Urteilen erarbeitet und wird nun von der Kommission in den Entwurf der Richtlinie übernommen.
Während bei einem klassischen Auftrag der Auftraggeber den Auftragnehmer für seine Leistung vergütet, tritt im Falle der Konzession eine dritte Partei auf den Plan! Der Auftraggeber erteilt die Konzession und der Auftragnehmer erhält die Berechtigung bei einem Dritten eine Leistung, meistens in Geld, einzufordern. Als weiteres Erkennungsmerkmal für eine Konzession wird das Betriebsrisiko angeführt: Vereinfacht gesagt haftet im Falle einer Konzession der Leistungserbringer, sollten z.B. mit den Sozialversicherungsträgern keine auskömmlichen Entgelte vereinbart werden können.
Da in der Konzessionsrichtlinie verschiedene Dienstleistungen vom Geltungsbereich ausgenommen sind, ist zunächst zu prüfen, ob der Rettungsdienst von der Richtlinie erfasst wird. Im Artikel 17 der Konzessionsrichtlinie wird geregelt, dass für soziale Dienstleistungen besondere Bekanntmachungsregeln gelten. Der Begriff der sozialen Dienstleistung wird im Anhang X über Beispiele geregelt und der Krankentransport ist eines davon.

Wie wird der Schwellenwert berechnet?

Der Schwellenwert wird mit 5.000.000 Euro angegeben. Das bedeutet, dass nur Konzessionen von der Richtlinie betroffen sind, die einen „Wert“ von mehr als 5.000.000 Euro darstellen.
Wie der Wert berechnet werden muss, dazu gibt der Entwurf der  Richtlinie genaue Vorgaben: Es sind alle Einnahmen zusammenzuzählen, die vom Konzessionsnehmer  während der Laufzeit erzielt werden können. Es ist also bei der Bewertung immer  die gesamte Laufzeit einzubeziehen. Hängen verschiedene Konzessionen planerisch zusammen, d.h. werden die Anforderungen gemeinsam geplant oder hängt der Umfang der einen Konzession von dem einer anderen Konzession ab, so sind die Werte zusammenzuzählen. Für die Entscheidung, ob ein Vergabeverfahren entsprechend der Richtlinie durchgeführt werden muss, ist die Gesamtsumme heranzuziehen.
Diese Regelung dürfte für den Rettungsdienst weitreichende Folgen haben: So werden die Planungen für die Vorhalteleistungen in der Notfallrettung regelmäßig nicht auf Ebene einer Rettungswache sondern auf Ebene eines Bedarfs- oder Planungsbereiches erfolgen. Damit wirkt sich die Entscheidung, an einem Standort eine Vorhaltung von Rettungsmitteln bereitzustellen, immer auch auf andere Standorte aus.
Weiterhin ist bei der Bewertung des Schwellenwertes zu beachten, dass alle Zahlungen und Leistungen, die dem Konzessionsnehmer vom Konzessionsgeber zufließen, zu berücksichtigen sind. Werden durch den Auftraggeber zum Beispiel Gebäude oder Fahrzeuge gestellt, so erhöht sich der Wert der Konzession entsprechend.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Richtlinie muss nun vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union beschlossen werden. Hierbei kann es natürlich noch zu Änderungen kommen. Laut Entwurf der Richtlinie sollen die Mitgliedsstaaten die Richtlinie bis zum 30. Juni 2014 in nationales Recht umsetzen. Dabei dürfen die Vorgaben der Richtlinie über- aber nicht unterschritten werden. Es ist z.B. möglich, dass ein Mitgliedsstaat niedrigere Schwellenwerte festlegt. Sollte ein Mitgliedsstaat die Richtlinie nicht bis zum Stichtag in nationales Recht umgesetzt haben, dann wäre die Richtlinie direkt anzuwenden.


Zusammenfassung

Die Europäische Kommission möchte die Rechtsunsicherheit bei der Abgrenzung von Dienstleistungsaufträgen und Dienstleistungskonzessionen beseitigen und auch für Konzessionen den Marktzugang EU-weit vereinfachen. Hierzu hat sie den Entwurf einer Konzessionsrichtlinie erlassen.  Insgesamt bleibt zu vermuten, dass Konzessionen im Rettungsdienst zukünftig von der Richtlinie erfasst werden. Damit dürfte sich das Verfahren zur Vergabe einer Konzession, dem zur Vergabe eines Auftrags weitestgehend angleichen. Auch die Möglichkeiten der Bieter, die Entscheidung des Auftraggebers rechtlich überprüfen zu lassen, werden sich nicht nennenswert von denen im Vergabeverfahren unterscheiden.