Urteil zur Vorrangstellung der Hilfsorganisationen

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Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 24. Mai 2012 ein Urteil (BayVerfGH Vf. 1-VII-10) zur Vorrangstellung veröffentlicht. Das Gericht sieht im Art. 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 429, BayRS 215-5-1-I) einen Verstoß gegen Art. 101 BV.  Die Vorschrift wird für nichtig erklärt, soweit Dritte nur dann mit der bodengebundenen Durchführung rettungsdienstlicher Leistungen beauftragt werden können, wenn die Hilfsorganisationen zur Übernahme des Auftrags nicht bereit oder in der Lage sind. Bis zu einer Neuregelung sind Dritte gleichrangig in das Auswahlverfahren nach Art. 13 Abs. 3 BayRDG einzubeziehen.

Ein privates Rettungsdienstunternehmen aus München hatte Verstöße gegen die in Art. 101 BV geschützte Berufts- und Wettbewerbsfreiheit gerügt.

Das Gericht stellt fest, dass das BayRDG nicht im Widerspruch zu Art. 70 GG erlassen wurde. Rettungsdienst als Teil der Daseinsvorsorge dem Recht der öffentlichen Sicherheit, der allgemeinen vorbeugenden Gefahrenabwehr und der Gesundheitsfürsorge zuzuordnen. Als solche ist sie Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 GG.

Hierdurch wird der Landesgesetzgeber zwar nicht ermächtigt, in die kartellrechtlichen Kompetenzen des Bundesgesetzgebers einzugreifen, da in Bayern aber das Konzessionsmodell zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen zur Anwendung kommt, besteht kein Widerspruch zu § 97 ff. GWB.

Das Grundrecht aus Art. 101 BV steht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt und unterliegt daher Beschränkungen. Der Gesetzgeber ist aber bei der Aufstelllung von Grenzen des Grundrechts, welche dieses Grundrecht beschränken, selbst an Schranken gebunden. Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff in die Berufsfreiheit wird nicht dadurch relativiert, dass gemäß Art. 1 Satz 3 BayRDG bodengebundener Krankentransport auch außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes durchgeführt werden kann. Zum einen handelt es sich dabei nur um einen Teilbereich rettungsdienstlicher Leistungen. Zum anderen ist auch dieser Bereich engen Zugangsvoraussetzungen unterworfen. Der Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes darf nur genehmigt werden, wenn das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst nicht beeinträchtigt wird.

Das Gericht erkennt, dass die Vorrangstellung der Hilfsorganisation das Ziel verfolgt, einen flächendeckend funktionsfähigen wirtschaftlichen und sparsamen Rettungsdienst sicherzustellen. Die Vorrangsstellung wird auch als geeignet angesehne, dieses Ziel zu erreichen. Das Gericht sieht aber die Vorrangstellung nicht als notwenig an, das genannte Ziel zu erreichen, da schon jetzt Private Anbieter in den öffentlichen Rettungsdienst in Bayern eingebunden werden können.

Auch in der Zukunft hält der Verfassungsgerichtshof es für möglich, wirtschaftlichkeitsreservern durch die Einbindung von Ehrenamtlichen in den Rettungsdienst zu realisieren. Im Rahmen einer Auswahlentscheidung könne der ehrenamtliche Einsatz unter Wirtschaftlichkeitsbewertungen berücksichtigt werden. Dies sei dann aber ein milderes Mittel als eine objektive Berufszugangsbeschränkung.

Weiterhin sieht das Gericht die Möglichkeit, bei der Auswahlentscheidung nach Art. 13 Abs. 3 die Beurteilung der Eignung des Bewerbers davon Abhängig zu machen, ob er in der Lage ist, sich auf Anforderung in ein System des Bevölkerungsschutzes zu integrieren und sein Leisutngspotential innerhalb kürzester Zeit aufzustocken. Eine sich hieraus ergebende Vorrangstellung der Hilfsorganisatioenn sieht der Verfassungsgerichtshof nicht als bedenklich an.